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Anlage zum Kontrakt

Grundlagen

der Bodenpolitik

in der Stadt Kerpen

Einführun

Trotz der einschneidenden und regional sehr unterschiedlichen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt bleibt eine kontinuierliche Entwicklung und Mobilisierung von ausreichenden Baulandflächen für eine nachhaltige Kommunalentwicklung auch künftig unverzichtbar. Die Standortkonkurrenz der Kommunen wird vermutlich in den nächsten Jahren erheblich zunehmen. Bei der Nachfrage nach Bauland zeichnen sich indessen regional sehr unterschiedliche Trends ab. Dabei können nur diejenigen Kommunen, die rechtzeitig ein qualitativ und quantitativ angemessenes Flächenangebot für Wohnungsbau sowie für Dienstleistungs- und Gewerbebetriebe und für sonstige Zwecke schaffen, ihre Handlungsfähigkeit erhalten und ihre Chancen zur städtebaulichen Entwicklung nutzen.

Die Forderung einer nachhaltigen Entwicklung stellt die Kommunen heute grundsätzlich vor zwei Herausforderungen: So gilt es einerseits die im Bestand vorhandenen Flächenreserven und Brachflächen zu mobilisieren, um die Innenentwicklung zu fördern sowie die bestehende Infrastrukturanlagen und –einrichtungen optimal auszulasten. Gleichzeitig müssen trotz angespannter Haushaltssituationen die Möglichkeiten zur Verwirklichung innovativer zukunftsweisender Baugebiete auf städtebaulich integrierten Standorten ergriffen werden.

Um die Kommunen angesichts der bestehenden Haushaltsmisere zu entlasten, müssen bei künftigen Verfahren die Planungsbegünstigten stärker an den tatsächlichen Kosten der Baulandentwicklung und den daraus resultierenden Kosten und sonstigen Aufwendungen für städtebauliche Maßnahmen, die der Gemeinde entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzungen oder Folge des geplanten Vorhabens sind, beteiligt werden (im folgenden „Folgekosten“ genannt). Daher gilt es effiziente sowie kosten- und zeitsparende Entwicklungsmodelle einzusetzen, die die Steuerungsfähigkeit der Kommunen erhalten und zugleich die Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer erwarten lassen.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Herstellungs- beziehungsweise  Erwerbskosten von Mietwohnungen, Eigentumswohnungen und Eigenheimen in vielen Städten Nordrhein-Westfalens eine Höhe erreicht haben, die wohnungspolitisch und städtebaulich zu Problemen führt. Es wird immer schwieriger, einkommensschwächeren Haushalten preiswerten Wohnraum anzubieten. Viele Haushalte haben kaum noch Chancen, eine Eigentumswohnung oder ein eigenes Haus zu bezahlen. Hierbei spielt der Anteil der Bodenkosten an den gesamten Erstellungskosten für Wohnungen und Einfamilienhäusern eine wesentliche Rolle.

Baulandknappheit ist heute beinahe in jeder Gemeinde weiterhin ein großes Problem. Dies führt natürlich auch – neben anderen Faktoren – zu einem immensen Anstieg der Bodenpreise. Diesem Problem muss seitens der Gemeinden entgegengewirkt werden.

Es besteht zwischen den Fachleuten weitestgehend Konsens darüber, dass die bislang eingesetzten Instrumente und Verfahren zur Bereitstellung von Bauland an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stoßen und keinen ausreichenden Beitrag zur Problemlösung liefern.

Der Ansatz zur Lösung der vielfältigen Probleme bei der Schaffung und Zuweisung von Bauland wird allgemein in einer auf die Bedarfsdeckung ausgerichteten kommunalen Bodenpolitik gesehen.


2. Was versteht man unter kommunaler Bodenpolitik?

Unter diesem Begriff versteht man ganz allgemein die Gestaltung, Entwicklung und Lenkung von komplexen Systemen. Grund und Boden stellt ein solches komplexes System dar.

Bodenpolitik wird verstanden als ein Konzept, dass das in der Planung ausgewiesene oder im Bestand vorhandene Land durch Entwicklung und Bereitstellung zu „Grund und Boden“ macht. Im Vordergrund stehen hierbei die einzelnen Vorgehensweisen bzw. Modelle der Baulandbereitstellung, die die Gemeinde alleine oder in Kooperation mit den Eigentümern beziehungsweise Investoren anwenden können. Ziel ist dabei immer die tatsächliche Verfügbarmachung von Bauland für Bauwillige.

Kommunale Bodenpolitik verfolgt von der Dimension her grundsätzlich 3 Ansätze:

1. Flächenbezogener Ansatz:
Der flächenbezogener Ansatz umfasst die konkrete räumliche Komponente der kommunalen Bodenpolitik. Bodenpolitik kann sich  zum Beispiel beziehen auf Baulücken, Brachflächen sowie auf neue Erschließungsflächen.

2. Verfahrensbezogener Ansatz:
Der verfahrensbezogene Ansatz geht der Frage nach, inwieweit sich welche Verfahrensformen (zum Beispiel  formalisierte oder nicht formalisierte Verfahren) bei welchen Anwendungsfällen und bei welchen Instrumentarien im Sinne der Zielerreichung der Baulandmobilisierung beziehungsweise –bereitstellung als günstig erweisen (auch bezogen auf die preislichen Auswirkungen).

3. Instrumentenbezogener Ansatz:
Der instrumentenbezogene Ansatz der kommunalen Bodenpolitik bezieht sich auf Anwendung unterschiedlicher Instrumente oder eines systematisch eingesetzten Instrumentenbündels für bestimmte „Flächentypen“ beziehungsweise die Anwendung eines abgestimmten Instrumentenmixes für spezifische Flächen. Die einzelnen Instrumente werden im Weiteren noch ausführlich dargestellt.

Hauptgrundsatz der kommunalen Bodenpolitik muss es also sein, nicht nur das Bauland zu verbilligen, sondern über die Verbilligung des Baulandes hinaus die Gesamterwerbskosten für Eigentum zu senken. Da der Endverbraucher und nicht der Unternehmer beziehungsweise der Bauträger vom günstigen Boden profitieren soll, ist der Gesamtansatz wichtig. Neben Einsparungen durch einen günstigen Grundstückspreis und eine kostengünstige Bauweise sind deshalb auch im Hinblick auf das Gesamtziel „preiswertes Wohnen“ die Erschließungskosten zu senken.

Darüber hinaus gilt es, den von der Planungsentwicklung begünstigten Grundstückseigentümer unter Wertverzicht in angemessenem Umfang an den entstehenden Folgekosten zu beteiligen um so auf eine gerechtere Verteilung der Baulasten hinzuwirken.

3. Grundsätzliche Prinzipien für die Baulandentwicklung

Der einschlägigen Literatur und den Erfahrungsberichten entsprechend tätiger Kommunen ist zu entnehmen, dass das verfügbare Instrumentarium aus der Sicht der Kommunen überwiegend als ausreichend bezeichnet wird. Offensichtlich hängt also der Erfolg städtebaulicher Maßnahmen angesichts der Vielzahl der zu Gebote stehenden Instrumente von der geeigneten Auswahl für den konkreten Einzelfall und von der sachgerechten Handhabung der Instrumente ab. Folgende Prinzipien sind für die Baulandentwicklung bedeutsam:

1. Strategische Ausrichtung:
Baulandentwicklung ist eine Aufgabe die mit Kontinuität und Augenmaß betrieben werden muss. Die qualitative und quantitative Nachfrage auf dem Baulandmarkt, insbesondere dem Wohnbaulandmarkt, unterliegt immer kürzeren zyklischen Schwankungen. Deshalb bedarf es vorausschauender Baulandstrategien, um ein zeitlich und räumlich bedarfsgerechtes Flächenangebot sicherzustellen.

2. Konsequente Projektsteuerung:
Die Baulandentwicklung ist ein komplexer Prozess mit zahlreichen Beteiligten, der unter engen Rahmenbedingungen zielorientiert zu gestalten und effizient durchzuführen ist. Nur eine projektorientierte Herangehensweise und konsequente Projektsteuerung sichert einen stringenten Gesamtablauf. Dieser reicht von der Formulierung von städtebaulichen Leitbildern von der kommunalen Entwicklung über die Planung und Bodenordnung bis zur Erschließung der Bauflächen und deren Mobilisierung.

2. Solides Finanzierungsmanagement:
Baulandentwicklung muss jederzeit und unabhängig von der kommunalen Haushaltslage möglich sein. Es gilt daher haushaltsunabhängige Finanzierungsmodelle für städtebauliche Erschließungsmaßnahmen zu entwickeln, die auf einer rechtssicheren Basis beruhen und eine weitgehende Refinanzierung der Investitionskosten für kommunale Infrastrukturanlagen und Infrastruktureinrichtungen durch die Planungsbegünstigten vorsehen.

3. Die Qualitätssicherung städtebaulicher Konzepte:
Angesichts der sich verschärften Konkurrenzsituation zwischen den Kommunen wird es künftig bei Standortentscheidungen besonders auf die Qualität der Baugebiete ankommen. Es ist daher durch ein konsequentes Qualitätsmanagement bei der Umsetzung von Erschließungsmaßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass es von der städtebaulichen Planung bis zur Mobilisierung der entwickelten Flächen nicht zu Brüchen und Qualitätsverlusten kommt.

4. Markt- und Kostenorientierung:
Die Möglichkeiten zur Verwirklichung städtebaulicher Konzepte hängen naturgemäß von der Marktfähigkeit der Baugrundstücke ab, insbesondere von der planungsrechtlich zulässigen Nutzung und auch von den Entwicklungskosten. Um die Risiken von der Baulandentwicklung zu minimieren, bedarf es solider Standort- und Marktanalysen als Grundlage für planerische Überlegungen und für die Auswahl von Planungsvarianten.

5. Flexibler Instrumenteneinsatz und Kooperation:
Es gibt heute nicht nur ein einziges Verfahren und ein einziges Instrument für die Baulandentwicklung und –mobilisierung, welches in jedem Fall immer den gewünschten Erfolg bringt. Der Erfolg wird im Einzelfall vielmehr davon abhängen, inwieweit es gelingt, hoheitliche und kooperative Verfahren soweit miteinander zu kombinieren, dass die Mitwirkungsbereitschaft der Beteiligten erreicht und die städtebaulichen Ziele gewahrt bleiben.

4. Strategietypen (Instrumente) einer sozialgerechten Bodenpolitik – Chancen und Risiken –

Die kommunale Bodenpolitik muss ein komplexes Strategiepaket sein, welches für jede Flächenart Angebote und Lösungen bereithält.

Für eine bedarfsgerechte Baulandentwicklung haben sich in der Praxis die nachfolgenden strategie- und maßnahmenorientierte Instrumente bewährt. Je nach der Beschaffenheit und Ausgangslage einer Fläche sollte die im Einzelfall passende Strategieart angewendet werden.

Kommunale Bodenvorratspolitik und privatrechtliche Bodenordnung:
Die effizienteste Form einer kooperativen Baulandentwicklung stellt zweifellos das Modell des freihändigen (kommunalen) Zwischenerwerbs der zu entwickelnden Flächen dar. Gegebenenfalls bietet sich eine Kombination mit Maßnahmen der freiwilligen Bodenordnung an. Erhebliche Vorfinanzierungskosten, überhöhte Preisvorstellungen der privaten Grundstückseigentümer und eine angespannte Haushaltssituation der Kommunen erlauben oftmals eine solche Vorgehensweise nicht.

Nachfolgend werden die klassischen Modelle einer kommunalen Bodenvorratspolitik aufgezeigt:

4.1.1 Zwischenerwerb ohne Bindung und Beteiligung der Alteigentümer an der Wertschöpfung:

Diese auf den ersten Blick einfachste Form der kommunalen Bodenpolitik ist die Bevorratung geeigneter Flächen durch die Stadt. Sie unterliegt insofern keinen weiteren öffentlichen Normen oder Beschränkungen.

Variante 1:

Die Stadt kauft landwirtschaftliche Flächen, die im Flächennutzungsplan (FNP) noch nicht als Wohnbauflächen dargestellt sind. Sie ändert anschließend den Flächennutzungsplan in „Wohnbaufläche“ und stellt einen Bebauungsplan auf. Sodann erschließt die Stadt das Gelände und verkauft die baureifen Grundstücke an Bauwillige.

Vorteile Variante 1:

Die Stadt kauft die Flächen zum Preis für landwirtschaftliche Flächen oder begünstigtes Agrarland. Die volle Wertsteigerung durch die städtische Planung verbleibt bei der Stadt.

Mit den erzielten Planungsgewinnen werden die Infrastruktureinrichtungen finanziert und Mittel erwirtschaftet für die Subventionierung der Grundstücke des sozialen Wohnungsbaus und die Wohnraumversorgung benachteiligter Bevölkerungsgruppen sowie für die Eigentumsbildung von Beziehern unterer und mittlerer Einkommen.

Die Stadt verkauft die Baugrundstücke mit Bauverpflichtungen innerhalb einer bestimmten Frist.
Es entstehen keine Baulücken.
Ein zügiger Endausbau der Erschließungsstraßen ist gewährleistet.
Nachteile Variante 1:

Die Privateigentümer müssen freiwillig an die Stadt veräußern wollen. In Kerpen sind in der Regel in jedem potentiellen Plangebiet viele verschiedene Eigentümer beteiligt, so daß umfangreiche Verhandlungen erforderlich werden.

Die Fläche muss für eine Entwicklung landesplanerisch geeignet sein. Die Darstellung im Gebietsentwicklungsplan (GEP) als „Wohnsiedlungsbereich“ muss gegeben sein. Ein Bedarf zur Änderung des Flächennutzungsplans in Wohnbaufläche muss zunächst der Bezirksregierung nachgewiesen werden.

Es entstehen für die Stadt unkalkulierbare Vorfinanzierungszeiträume. Die Risiken im Planverfahren, die im Vorfeld nicht absehbar sind (zum Beispiel Altlasten, Bodendenkmäler, Förderungen äußerer Erschließungsmaßnahmen, Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan) können gegebenenfalls die Kapitaldienstaufwendungen weiter erhöhen.

Bewertung Variante 1:

Diese Variante setzt äußerste Handlungsdisziplin der Stadt und der privaten Grundstückseigentümer voraus. Erfolg versprechend ist diese Variante besonders in Planfällen mit wenigen Beteiligten, die von sich aus veräußerungsbereit sind (zum Beispiel landwirtschaftliche Betriebsaufgabe, Betriebsverlagerung mit Reinvestitionsverpflichtung und andere).

Die Stadt muss, wenn auch nur ein Beteiligter nicht freiwillig veräußert, die Planungsabsichten aufgeben, um diese Strategie in anderen Bereichen glaubhaft anwenden zu können. Eine politische Rückendeckung ist für diesen Fall unverzichtbar.

Variante 1 kommt praktisch nur in den Bereichen in Betracht, die im Gebietsentwicklungsplan als Wohnsiedlungsbereich, im Flächennutzungsplan jedoch noch als „Flächen für die Landwirtschaft“ dargestellt sind.

Variante 2:

Die Stadt erwirbt landwirtschaftliche Flächen, die bereits im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche dargestellt sind oder der Lage nach quasi eine Bauerwartung haben. Das weitere Vorgehen entspricht der Variante 1.

Bewertung Variante 2:

Bei derartigen Flächen handelt es sich um Bauerwartungsland. Im Falle eines erfolgreichen Ankaufes kann die Stadt in Eigenregie die Flächen entwickeln.

Der Planungsgewinn oberhalb der Schwelle zischen Bauerwartungsland und baureifem Land verbleibt bei der Stadt und eröffnet Spielräume zur Finanzierung der Infrastruktur.

Von Variante 2 ist wegen der hohen unrentierlicher Vorfinanzierungskosten ohne Möglichkeiten, diese über städtebauliche Förderungsmittel aufzufangen, abzuraten. Darüber hinaus wird es in der Praxis ggf. auch an der erforderlichen Mitwirkungsbereitschaft der Grundstückseigentümer scheitern, die aufgrund überhöhter Gewinnerwartungen ihr Grundstück im Regelfall nicht für den regulären Preis von Bauerwartungsland veräußern dürften.

4.1.2 Zwischenerwerb mit Beteiligung der Alteigentümer an der Wertschöpfung:

Bei diesem Typ beteiligt die Stadt die Alteigentümer über den Ankaufspreis hinaus an der entwicklungsbedingten Wertsteigerung der Grundstücke und versucht so, deren Mitwirkungsbereitschaft zu erhöhen.

Die Höhe und die Art und Weise der Beteiligung variiert bei den Kommunen, die dieses Modell bislang anwenden. So kann die Beteiligung in Form von Bauflächen, die der Alteigentümer zugewiesen bekommt oder aber in einer Plangewinnbeteiligung liegen.

Diese Vorgehensweise ist derzeit bei den Kommunen, die eine aktive Bodenpolitik betreiben, die bevorzugte Strategie.

4.1.3 Zwischenerwerb außerhalb des Haushaltes mit und ohne Bindungswirkung und Beteiligung an der Wertschöpfung:

Diese Variante ist genau so zu sehen wie 4.1.1, allerdings erfolgt der Zwischenerwerb nicht direkt über den Haushalt der Kommunen, sondern hiervon unabhängig entweder durch einen kommunalen Eigenbetrieb, eine Eigengesellschaft, eine Kommanditgesellschaft oder aber durch extern beauftragte private Dienstleistungsunternehmen (z. B. Entwicklungsträger).

Die Gemeinde verhandelt mit den Alteigentümern, der private Investor (kom. Eigenbetrieb, Eigengesellschaft etc.) erwirbt die Flächen, finanziert den Erwerb und sonstige Kosten und veräußert die Flächen später an Erwerber, die von der Gemeinde benannt werden oder an die Gemeinde selbst.

Diese Variante wird in Kerpen zukünftig an besonderer Bedeutung gewinnen, da die Verwaltung teilweise neu strukturiert wurde. Es ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit integrierten privatrechtlichen Gesellschaften (z.B. Grundstücksentwicklungs- GmbH) in Kerpen installiert worden. Hier ergeben sich nunmehr umfangreiche weitere Möglichkeiten.

4.1.4 Privatrechtliche Neuordnung der Grundstücksverhältnisse durch eine „freiwillige Umlegung“:

Wie bei 4.1.1, Variante 2 bereits dargestellt, ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung die Mitwirkungs- und Einigungsbereitschaft aller am Verfahren Beteiligter.

Wenn absehbar ist, dass auch nur ein einziger Grundstückseigentümer nicht mitwirkungsbereit ist, so sollte sofort der Weg des gesetzlichen Verfahrens eingeschlagen oder das Verfahren eingestellt werden.

Die Erfahrung mit dem Instrument der freiwilligen Umlegung in Kerpen zeigt, dass praktisch in jedem Umlegungsgebiet Eigentümer beteiligt sind, die einer einvernehmlichen Regelung nicht zugänglich sind. Der Einsatz der freiwilligen Umlegung in Kerpen dürfte daher auf wenige Einzelfälle beschränkt bleiben.

Angesichts des Ziels, kommunale Infrastruktureinrichtungen und Folgekosten durch die Grundstückseigentümer mitfinanzieren zu lassen, könnten freiwillige Umlegungen unterstützend wirken. Dies gilt vor allem dann, wenn sich die Eigentümer im Rahmen einer freiwilligen Umlegung zu weitergehenden freiwilligen Leistungen verpflichten, zum Beispiel indem sie Flächen an die Stadt abtreten, die über den gesetzlich geregelten Anteil (ohne Ausgleichsflächen gem. § 8 a Bundesnaturschutzgesetz) hinausgehen.

Wie bei der gesetzlichen Umlegung werden zunächst private Flächen für Erschließungsflächen kostenlos an die Stadt abgetreten. Darüber hinaus können durch einen separaten städtebaulichen Vertrag (Umlegungsvertrag) ggf. weitere Flächen auf die Stadt kostenlos übertragen werden, beispielsweise

Flächen für Gemeinbedarfs- und Infrastruktureinrichtungen (zum Beispiel Kindergarten, Altenwohnheim etc.)
Flächen für den sozialen Wohnungsbau (kostenlos oder preislimitiert) und andere. 
Einige Städte sind dazu übergegangen, Bauleitpläne nur noch dann aufzustellen, wenn durch freiwillige Vereinbarungen derartige „Mehrflächenabtretungen“ gesichert sind.

Die schließlich nicht direkt für Gemeinbedarfsflächen benötigten Grundstücke werden dann zum Beispiel für den sozialen Wohnungsbau oder für ortsansässige Bürgerinnen und Bürger zu limitierten Preisen vorgehalten.

Dieses Verfahren wird in anderen Städten von vielen – sicherlich nicht von allen - Eigentümern akzeptiert, solange die Gesamtbilanz noch profitabel ist. Bei diesem Modell fließen die Planungsvorteile zunächst voll den Eigentümern zu. Erst durch die Mehrflächenabtretungen profitiert auch die Stadt an der von ihr betriebenen Wertsteigerung durch die Planung.

Baulandbereitstellung durch gesetzliche Umlegung gem. §§ 45 ff. Baugesetzbuch:

Jede städtebauliche Planung findet eine zufällig historisch gewachsene Grundstücks- und Eigentümerstruktur vor, die die Umsetzung des Bebauungsplanes mehr oder weniger erschwert. Es bedarf häufig zunächst einer Baulandumlegung, die der Umlegungsausschuss in eigener Verantwortung durchführt.
Nur in der gesetzlichen Umlegung im Sinne der §§ 45 folgende, Baugesetzbuch ,ist sichergestellt, dass die Flächen für gemeinschaftliche und öffentliche Anlagen zu gleichen Teilen von allen Eigentümern aufzubringen sind. Daneben sind gegebenenfalls Geldausgleiche zu leisten.

Eine Umlegung dient dem öffentlichen ebenso wie dem privaten Interesse.

Vorteile:

Kostenloser Grunderwerb für baugebietsbezogene Grünflächen, Straßenflächen und sonstigen öffentlichen Flächen und gegebenenfalls der Ausgleichsflächen in Sachen des § 8 a Bundesnaturschutzgesetz
Abschöpfung der Wertsteigerungsspanne zwischen Rohbauland und baureifem Land durch die Stadt
Nachvollziehbare Gleichbehandlung aller Beteiligten
Einbeziehung von Nicht-Bauwilligen Eigentümern möglich
Kein Zwischenerwerb von Flächen
Kein unternehmerisches Risiko für die Stadt
Nachteile:

Planungsgewinne aufgrund der Wertsteigerung zwischen Agrarland und Rohbauland verbleiben bei den Eigentümern
Fehlende Steuerung der baulichen Nutzung von Baugrundstücken (zum Beispiel Entstehung von Baulücken, unkalkulierbare (Unter-) Auslastung städtischer Erschließungsanlagen und Wohnfolgeeinrichtungen und andere)
Lange Verfahrensdauer durch Ausschöpfung von Rechtsmitteln ist nicht auszuschließen
Bewertung:

Das Instrument sollte in Kerpen dort Anwendung finden, wo bereits Bebauungsplanverfahren eingeleitet worden sind, die Eigentümerstruktur inhomogen ist und die Stadt ein zeitlich definiertes Eigeninteresse an einer Bebauungsplanrealisierung hat. Darüber hinaus sollte durch eine Kombination mit städtebaulichen Verträgen eine Weiterentwicklung des Umlegungsrechtes im Hinblick auf eine sozial gerechte Bodennutzung angegangen werden.

Vorhabenbezogener Bebauungsplan:

Eine Risikominimierung und optimale Steuerungsmöglichkeiten ergeben sich beim vorhabenbezogenen Bebauungsplan mit Satzung und Durchführungsvertrag. So können die Städte und Gemeinde ihre kommunale Planungshoheit zielorientiert einsetzen und die Satzung erst dann beschließen, wenn der Durchführungsvertrag mit dem Investor abgeschlossen und die Erstellung und die kostenfreie Übertragung der öffentlichen Infrastrukturanlagen und –einrichtungen gesichert ist.

Dieses Instrument wurde in Kerpen in der jüngsten Vergangenheit häufig und mit sehr großem Erfolg eingesetzt. Es ist auf diesem Weg gelungen, sehr viele und für Kerpen wichtige Entwicklungsprojekte zeitnah voranzubringen.

Städtebauliche Verträge:

Städtebauliche Verträge gemäß  § 11 Baugesetzbuch dienen der Erfüllung städtebaulicher Aufgaben und ergänzen das hoheitliche Instrumentarium des Städtebaurechts. Seit der Einräumung einer solchen Möglichkeit im Baugesetzbuch wurde eine Fülle von Fallkonstellationen mit dem Instrument des städtebaulichen Vertrages, vor allem in den neuen Bundesländern, geregelt. Von der Tendenz her lässt sich die Einsatzmöglichkeit des städtebaulichen Vertrages wie folgt abstecken:

Mitfinanzierung der Infrastruktur von Planung bis zum Bau zur Entlastung der öffentlichen Hand
Einführung des Verursacherprinzips in die Kerpener Bodenpolitik
Städtische Leistungen – wo möglich - nur gegen Gegenleistung der bevorteilten Eigentümer und Investoren
Allerdings sei schon an dieser Stelle vor überzogenen Erwartungen an städtebauliche Verträge gewarnt. Auch muss unbedingt das Koppelungsverbot beachtet werden, das heißt hoheitliche Leistungen, zum Beispiel die Aufstellung eines Bebauungsplanes, dürfen grundsätzlich nicht an zusätzliche wirtschaftliche Gegenleistung gekoppelt und damit von ihnen abhängig gemacht werden.

Die Verwaltung darf also nichts Unangemessenes fordern. Die Leistungen eines Vorhabenträgers, also demjenigen, der etwas von der Stadt erwartet, müssen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Bauleitplan oder dem Vorhaben des Bauwilligen stehen. Dennoch lohnt sich auch in Kerpen der verstärkte Einsatz städtebaulicher Verträge.

Nachfolgend werden die gesetzlich vorgesehenen Einsatzmöglichkeiten kurz skizziert:

4.4.1 Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vorhabenträger:

Die Gemeinden können die Vorbereitung und/oder die Durchführung städtebaulicher Maßnahmen einem Dritten zu dessen Kosten übertragen und hierüber weitergehende Vereinbarungen treffen. Dazu gehören u. a. auch die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse, die Bodensanierung und sonstige vorbereitende Maßnahmen, die Ausarbeitung der städtebaulichen Planung sowie erforderlichenfalls des Umweltberichts.

Künftig ist auch in Kerpen verstärkt zu prüfen, inwieweit die Ausarbeitung städtebaulicher Planungen auf Dritte übertragen werden kann, wenn es sich um einen Vorhabenträger handelt. Solche Fälle sollen dem Grunde nach zur Reduzierung der städtischen Planungsdienstleistungen dahingehend überprüft werden, inwieweit die kompletten Planunterlagen bis hin zur Abwägungsvorschlägen durch die Vorhabenträger in Abstimmung mit dem zuständigen Fachamt erarbeitet werden können. Dabei ist es unerheblich, ob Baurecht über einen Vorhaben- und Erschließungsplan oder einen Bebauungsplan geschaffen werden soll. Letzt verantwortlich für Abwägung, Beschlüsse, Plananzeige und -ausfertigung bleibt die Stadt. Es ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass die diesbezüglichen Erfahrungen in der jüngsten Vergangenheit gezeigt haben, dass der vorgenannte positive Einsparungseffekt sich in der Praxis tatsächlich umsetzen lässt und teilweise zu erheblichen zeitlichen Einsparungen führen kann.

4.4.2 Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele:

Der Abschluss eines städtebaulichen Vertrages ist zulässig, wenn er der Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele dient und insbesondere die Grundstücksnutzung, die Durchführung des Ausgleichs im Sinne des § 1 a Absatz 3 Baugesetzbuch, die Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderem Wohnraumversorgungsproblemen sowie des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung regelt.

4.4.3 Übernahme von Folgekosten:

Nach § 11 Absatz 1 Ziffer 3 des Baugesetzbuches können sich Bauwillige im Zusammenhang mit ihrem Vorhaben der Gemeinde gegenüber vertraglich verpflichten, Kosten und Aufwendungen zu übernehmen, die der Gemeinde für städtebauliche Planungen, andere städtebauliche Maßnahmen sowie Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen, entstehen. Diese dürfen auch außerhalb des Bebauungsplangebietes liegen. Denkbar ist auch die Bereitstellung der für die Einrichtungen und Anlagen benötigten Grundstücke.

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass nur Kosten für Maßnahmen übernommen werden dürfen, die Voraussetzung und Folge des geplanten Vorhabens sind (Grundsatz der unmittelbaren Kausalität). Im Vertrag muss daher zum Ausdruck gebracht werden, dass die vereinbarten Kosten für ganz bestimmte Folgemaßnahmen verwendet werden sollen.

Berücksichtigt werden dürfen auch Kosten, die erst zukünftig entstehen, die sich jedoch schon jetzt abzeichnen. Diese dürfen – besser gesagt müssen – aufgrund von Erfahrungswerten zunächst geschätzt werden.

Eine Kostenübernahme kann nicht vereinbart werden, wenn der Vorhabenträger bereits einen Rechtsanspruch auf eine Baugenehmigung hat. Einen Entscheidungsspielraum hat die Stadt nur, wenn sie im Vorfeld der Aufstellung eines Flächennutzungsplanes oder Bebauungsplanes in vertragliche Verhandlungen einsteigt.

Welche Folgekosten eines städtebaulichen Vorhabens könnten also in Kerpen zwecks Reduzierung der kommunalen Lasten auf die Bauwilligen übertragen werden?

4.4.3.1 Kosten und Aufwendungen für städtebauliche Planungen:

Hierzu zählen vor allem – wenn die Aufstellung eines Bebauungsplanes erforderlich ist – Ingenieurkosten privater Büros, die mit dem städtebaulichen Entwurf oder Erstellung von Lärm-, Altlasten-, Verkehrs- oder Landschaftspflegerischen Gutachten beauftragt sind. Vertraglich kann vereinbart werden, dass diese Kosten direkt vom Vorhabenträger an das Planungsbüro überwiesen werden, selbst wenn die Stadt in der Regel Auftraggeber bleibt.

4.4.3.2 Kosten und Aufwendungen für städtebauliche Maßnahmen:

Dieser Bereich umfasst Kosten für

privatrechtliche Grundstücksneuordnung / freiwillige Umlegung / Notar / Grunderwerbssteuer / Vermessungskosten
Bereitstellung der für öffentliche Zwecke erforderlichen Grundstücke
Bodensanierung und Freilegung
4.4.3.3 Kosten und Aufwendungen für Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen:

In der Regel umfasst diese Begriffsbestimmung soziale Einrichtungen, die der Versorgung des Gebietes dienen. In der Praxis erprobt sind in anderen Städten Folgekostenregelungen, die sich insbesondere auf die nachfolgenden Einrichtungen beziehen:

Kindergärten
Kindertagesstätten
Jugendfreizeiteinrichtungen
Grundschulen, weiterführende Schulen, Schulsportanlagen
Öffentliche Spielplätze
Altenheime, Senioreneinrichtungen
Bürgerbegegnungsstätten
Freizeit- und Erholungsflächen
In der Praxis als problematischer erwiesen hat sich die vertragliche Beteiligung von Vorhabenträgern an den folgenden Anlagen:

Friedhofswesen
Bauhof
Feuerwehr
ÖPNV-Anschluss
Rathauserweiterung
Kulturzentrum
Auch in diesem Zusammenhang sei nochmals der Hinweis wiederholt, dass eine unmittelbare Verursachung vorliegen muss. Die Folgeinvestition darf nicht später getätigt werden.

Auf Kerpener Verhältnisse bezogen kommen bei Siedlungserweiterungen größeren Umfanges vor allem Folgekostenverträge in Betracht, die sich auf die Schaffung von Kindergartenplätzen, Grundschulklassen, Grünanlagen/Spielplätzen (soweit nicht über Erschließungsverträge oder –beiträge refinanziert) Sportplätzen und Erholungsbereichen beziehen. Die Überprüfung der jeweils angezeigten Beteiligungsmöglichkeiten bedarf einer Einzelfallbetrachtung.

4.4.3.4 Kosten für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen:

Nach der grundsätzlichen Gesetzeslage werden die Kosten für Kompensationsmaßnahmen im Sinne des § 8 a Bundesnaturschutzgesetzes, soweit sie von der Stadt durchgeführt werden, nach den Bestimmungen des Baugesetzbuches (Ausgleich für öffentliche Flächen) und des § 8 Bundesnaturschutzgesetzes per Leistungsbescheid über den Vorhabenträger oder Eigentümer geltend gemacht.

Der Vorteil der Regelung erforderlicher Kompensationsmaßnahmen innerhalb eines Folgekostenvertrages ist die Tatsache, dass die Maßnahmen auch dann umgelegt werden können, wenn sie außerhalb des Gebietes liegen. Häufig ist ein Ausgleich innerhalb des Plangebietes kaum möglich, es sei denn um den Preis einer ausufernden Siedlungsentwicklung.

Angesichts des hohen Flächenverbrauchs durch Wohn- beziehungsweise Gewerbeansiedlungen ist eine Flexibilisierung der ansonsten recht starren Bebauungsplaninternkompensation wünschenswert.

4.4.4 Zusammenfassende Bewertung zur Einsatzmöglichkeit städtebaulicher Verträge in Kerpen:

Die zuvor beschriebene Spannweite möglicher Vertragsregelungen wirkt auf den ersten Blick verlockend. Viele Probleme des Kerpener Bodenmarktes erscheinen damit kurzfristig lösbar. Das universelle Instrument der Bodenpolitik wird der städtebauliche Vertrag dennoch in Kerpen nicht werden. Er beruht zunächst auf Einvernehmlichkeit. Niemanden kann der Abschluss eines städtebaulichen Vertrages unfreiwillig oder einseitig aufgezwungen werden. Dem jeweiligen Vertragspartner kann nichts „Unangemessenes“ abverlangt werden. Der städtebauliche Vertrag ist somit kein Vehikel zur Sanierung des Kerpener Haushaltes, sondern in Grenzen vielleicht ein Beitrag zur Reduzierung derzeit kommunalisierter Folgelasten.

Zu klären ist auch, wer letztlich die von der Stadt im Rahmen städtebaulicher Verträge zusätzlich abverlangten Leistungen bezahlt. Unmittelbarer Adressat ist der Vorhabenträger oder Grundstückseigentümer. Diese werden die Kosten jedoch – wo eben möglich – auf die Wohnungssuchenden (Mieter/Erwerber) umlegen, die gerade Zielgruppe einer sozialgerechten Wohnwirtschaft sein sollen.

Dringend zu warnen ist auch vor Grundsatzbeschlüssen, zum Beispiel mit der Zielrichtung, einen „Mustervertrag“ für alle anstehenden städtebaulichen Maßnahmen zu entwickeln. Gerade die Vielschichtigkeit der Einsatzmöglichkeit städtebaulicher Verträge eröffnet die Möglichkeit, gezielte Lösungspakete für den jeweiligen Einzelfall zu schnüren.

Anwendbar wird der städtebauliche Vertrag vor allem dann sein, wenn ein Investor mit einem Wohnungsbauprojekt größeren Zuschnitts auf die Stadt zukommt, in einem Bereich, für den noch kein Planungsrecht besteht. Dieser wird dann in eigenem Interesse frühzeitig in Abstimmung mit der Stadt zwecks beschleunigter Realisierung des Vorhabens, der Kostenminimierung und einer berechenbaren Wertschöpfung der planungsbedingten Bodenwerterhöhung anbieten, die Planungskosten sowie Folgekosten und Erschließungskosten im Rahmen von Erschließungsverträgen zu übernehmen, so lange das Projekt für ihn noch wirtschaftlich ist.

Demgegenüber wird die Stadt ihre Interessenlagen vertraglich im Einzelfall erfolgreich durchsetzen, wenn sie kooperativ mit dem Investor diese „Schmerzgrenze“ auslotet. Diese Vorgehensweise ist in Kerpen im Rahmen von Erschließungsverträgen und auch schon im Rahmen von städtebaulichen Verträgen in der Vergangenheit erfolgreich praktiziert worden.

Schwieriger in der Handhabung dürften sich in Kerpen die typischen städtebaulichen Erweiterungen des Siedlungsgefüges am Standrand durch städtebauliche Verträge gestalten, da man es dort traditionell mit einer Vielzahl von Eigentümern zu tun haben wird. Hier wird die Freiwilligkeit erster Prüfstand der Bodenpolitik in Kerpen sein.

Noch immer herrscht bei vielen Eigentümern in Frage kommender Flächen eine mit einer latent vorhandenen Bauhoffnung verbundene Gewinnerwartung. Dies gilt selbst für Eigentümer der Flächen, die derzeit noch nicht im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche dargestellt sind. Die Kooperationsbereitschaft dürfte daher, zumindest in der Anfangsphase, von abwartender Skepsis begleitet sein.

Erfolg verspricht die Anwendung städtebaulicher Verträge nur dann, wenn die Stadt mit geeigneten Alternativen ihren Verhandlungsspielraum erweitert. Ziel muss daher die Definition eines „Suchraumes“ in der Stadt Kerpen sein, in dem Wohnungsbau langfristig, das heißt in Jahrzehnten, stattfinden könnte. Verhandelbar sind daher vor allem Prioritäten der Realisierung. Das gilt nicht nur für Bebauungspläne, sondern auch für andere städtebauliche Satzungen.

Die beteiligten Grundstückseigentümer müssen vor die Alternative gestellt werden, dass im Falle mangelnder Kooperationsbereitschaft ein städtebauliches Vorhaben auf lange Zeit nicht realisiert wird und sich die Stadt anderen Teilflächen im Suchraum zuwendet.

Der Verzicht selbst auf eine mittelfristige Beteiligung an gewissen Wertsteigerungen, die auch beim Einsatz städtebaulicher Verträge bei den Eigentümern verbleiben, dürfte viele Eigentümer verhandlungsbereit stimmen. Die zeitnahe Renditeerwartung durch Bodenwertsteigerung ist ein mit entscheidender Beitrag der Stadt für eine wirtschaftliche Vertragsgestaltung aus Sicht der Eigentümer.

Innerhalb des Wohnsiedlungssuchraumes – vorrangig innerhalb der Flächen, die der Gebietsentwicklungsplan als Wohnsiedlungsbereich darstellt – könnten auch Flächen der Eigentümer, die definitiv nicht mitwirkungsbereit sind, im Flächennutzungsplan weiterhin als „Flächen für die Landwirtschaft“ dargestellt bleiben.

Schließlich ist der jeweilige Vertragsinhaber und die stadtstrukturelle Zielsetzung der sozialgerechten Bodennutzung gezielt auf die jeweilige Bedarfslage am Wohnungsmarkt und die räumlichen Rahmenbedingungen des Standortes zuzuschneiden. Ein Grundsatzbeschluss des Rates für alle Vorhaben innerhalb einer Entwicklungsplanung im Suchraum wäre somit kontraproduktiv und würde den Verhandlungsspielraum der Verwaltung unnötig einschränken.

Gesetzliche Umlegung in Kombination mit städtebaulichen Verträgen:

Neben der oben schon beschriebenen rein gesetzlichen Umlegung nach §§ 45 folgende Baugesetzbuch und der ebenfalls geschilderten freiwilligen Umlegung gibt es als weitere Variante die Kombination beider Möglichkeiten.

In einem städtebaulichen Vertrag oder einer Umlegungsvereinbarung werden zunächst auf freiwilliger Basis die Flächenabtrennungen und die Übernahme von Folgekosten einvernehmlich geregelt. Daran anschließend werden diese Vereinbarungen nach § 56 Absatz 2 Baugesetzbuch als ein abweichender Verteilungsmaßstab behandelt werden.

Diese Kombination verbindet die Vorteile der freiwilligen Umlegung durch Abgabe von Planungsgewinn mit der Verfahrenssicherheit und Durchsetzungsstärke der gesetzlichen Umlegung.

Vorteile dieser Lösung gegenüber der rein freiwilligen privaten Umlegung sind

Rechtssicherheit auch bei Konkursfällen durch Erhebung der Abgaben als öffentliche Last
Befreiung von Steuern und Gebühren
Aufstellung eines Umlegungsplanes als Verwaltungsakt
Durchsetzungskraft in Folge Vorkaufsrechtsregelung, Verfügungs- und Veränderungssperre nach § 51 Baugesetzbuch und Grundbuchkontrolle (Umlegungsvermerk)
Sichere Rechtsnachfolgeregelung bei Eigentümerwechsel nach § 49 Baugesetzbuch
Die Kombination freiwilliger Umlegung/städtebaulicher Vertrag mit der Durchsetzungskraft der gesetzlichen Umlegung bietet sich in den Fällen an, wo ein geeigneter Träger für die Verfahrensabwicklung nicht zur Verfügung steht und wo die Rechtssicherheit und die Durchsetzungssicherheit auch im öffentlichen Interesse geboten ist.

Städtebauliche Verträge können insbesondere auch Vereinbarungen mit den nachfolgend definierten Zielen enthalten:

4.5.1 Nutzung der Grundstücke innerhalb angemessener Frist:

Die vertraglich geregelte Bauverpflichtung in angemessener Frist ist, wo möglich, auch in der Stadt Kerpen angezeigt, da aufgrund des dringenden Wohnbedarfs eine möglichst vollständige Ausnutzung der geschaffenen Baurechte angestrebt ist. Auch sollte der Flächenverbrauch für neue Baugebiete möglichst gering gehalten werden, um den Erschließungsaufwand zu minimieren. Baulücken werden so vermieden.

Die Stadt Kerpen hat diesbezüglich gute Erfahrungen machen können, da sie ihre eigene Grundstücke ausschließlich mit Bauverpflichtungen vergibt.

4.5.2 Dringender Wohnbedarf von Bevölkerungsgruppen mit Wohnraumversorgungsproblemen:

Angesichts fehlender Sozialwohnungen streben viele Gemeinden städtebauliche Verträge an, mit denen sich der Vorhabenträger bei Wohnungsbauverträgen dazu verpflichtet, einen bestimmten Anteil der Wohnungen im Baugebiet im Standard des sozialen Wohnungsbaus zu errichten. Darüber hinaus dürfen künftig gemäß städtebaulichem Vertrag Wohnungen nur an die nach dem 2. Wohnungsbaugesetz  und dem Wohnungsbindungsgesetz berechtigten Wohnungssuchenden vergeben werden (Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen).

Diese Vereinbarungen müssen angemessen, das heißt wirtschaftlich zumutbar, sein. Denkbar ist die Anwendung dieses Instrumentes immer dann, wenn für Gebiete Baurecht geschaffen werden soll, die einem Vorhabenträger gehören und wenn tatsächlich ein marktbedingter Mangel an Sozialwohnungen besteht.

4.5.3 Sonstige Vereinbarungen

Darüber hinaus kommen alle weiteren Vereinbarungen in Betracht, die helfen, die Ziele und Zwecke des konkreten Bebauungsplanes oder einer anderen Satzung vorzubereiten oder zu sichern.

Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen:

Unter ganz bestimmten rechtlichen Voraussetzungen, insbesondere bei einem erhöhten Bedarf an Wohn- und Arbeitsstätten, zur Errichtung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen oder zur Wiedernutzung brachgefallener Flächen ist die Durchführung der städtebauliche Entwicklungsmaßnahme mit flächendeckenden transitorischen Grunderwerb zulässig.

Dieses Instrumentarium ist zwar nicht für den Alltagsfall der Bauentwicklung vorgesehen, bietet aber weiterreichende Möglichkeiten zur geschlossenen Durchführung und umfassenden Finanzierung der Baulandentwicklung.

Diesbezüglich konnten bei der Stadt Kerpen schon konkrete und umfangreiche Erfahrungen in der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme „Vogelrutherfeld“ in Sindorf gesammelt werden.

Vorteile:

Abschöpfung des gesamten Planungsgewinnes durch die Stadt
Weitgehende Steuerungsmöglichkeiten durch die Kommune (z.B. Veräußerung nur mit Bauverpflichtungen und andere.)
Anwendung von Enteignungsrechten auch ohne rechtskräftigen Bebauungsplan
Nachteile:

Verhältnismäßig lange Verfahrensdauer
Hohe Zwischenfinanzierungskosten
Instrument nur beim Vorliegen von rechtlich eng definierten Zulässigkeitsvoraussetzungen einsetzbar

5. Das Kerpener Konzept der sozialgerechten Bodenpolitik

Aus der Darstellung des Instrumentariums lässt sich herleiten, dass ein schlüssiges Konzept, welches durch Planung ausgewiesen ist oder im Bestand vorhandenes Bauland für die vorgesehene städtebauliche Nutzung auch tatsächlich verfügbar macht, in der Stadt Kerpen durchaus entwickelt werden kann.

Den Instrumenteneinsatz gilt es dabei Maßnahmen- und Zielgruppenorientiert zu optimieren. Ein solches Konzept kann als sozialgerechte Bodenpolitik definiert werden. Es ist Kernstück des Übergangs von der angebotsorientierten zu einer vollzugsorientierten Planung.

Entscheidende Voraussetzung für den Erfolg einer Baulandbereitstellungsmaßnahme ist die frühzeitige Sicherstellung einer zügigen Bebauung, zum Beispiel durch die Vereinbarung von Baupflichten innerhalb bestimmter Fristen nach Baureifmachung der Grundstücke bei gleichzeitiger Reduzierung der Folgekosten für die Stadt. Alle weiteren Regelungen und Strategien ergänzen auf den Einzelfall bezogen dieses Oberziel.

Als Einstieg und Grundlage schließen Rat und Verwaltung der Stadt Kerpen den nachfolgenden Kontrakt um das Handlungsprogramm für die Verwaltung als grundsätzliche Linie auch den Eigentümern gegenüber nachhaltig vertreten zu können. Gleichzeitig werden damit auch die zukünftigen Strategien öffentlich gemacht. Auf der Basis diese Kontraktes kann die Verwaltung dann eine entsprechende Bodenpolitik auf- beziehungsweise weiter ausbauen.

Nachfolgend exemplarisch einige konkrete Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit über den Einsatz verschiedenster Instrumente der bodenpolitischen Klaviatur im Rahmen von Baulandentwicklung in Kerpen:

Bebauungsplangebiet „Rosentalstraße“

In diesem Baugebiet tritt die Stadt als Erschließungsträger auf. Die baureifen Grundstücke werden nach bestimmten definierten Kriterien an Kerpener Bürger vermarktet. Besonders bevorzugt werden kinderreiche Familien, die in Abhängigkeit von der Anzahl der im Haushalt lebenden Kindern nach einer Staffelung entsprechende Rabatte auf den Grundstückskaufpreis erhalten können.

Bebauungsplangebiet „Schildgenstraße“

In diesem Plangebiet ist die Stadt ausschließlicher Grundstückseigentümer. Das erforderliche Planungsrecht wird über einen vom Vorhabenträger vollständig finanzierten vorhabenbezogenen Bebauungsplan geschaffen. Der Vorhabenträger vermarktet nun seine Wohnhäuser unter Berücksichtigung der Vergaberichtlinien der Stadt Kerpen bevorzugt an Kerpener Bürger. Diese wiederum erwerben direkt von der Stadt das benötigte Grundstück und können so Kosten sparen. Daneben entrichtet der Vorhabenträger noch einen finanziellen Beitrag als Folgekostenbeteiligung an die Stadt und übernimmt die Erschließung des Plangebietes ohne Kostenbeteiligung seitens der Stadt.

Bebauungsplangebiet „Alte Kartbahn“

In diesem Plangebiet entwickelt ein Vorhabenträger einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan und trägt alle sich hieraus ergebenden Kosten. Insbesondere stellt er im Rahmen der Erschließung des Grundstückes alle öffentlichen Erschließungsanlagen auf eigene Kosten her und überträgt diese nach der Herstellung kostenlos an die Stadt. Daneben leistet er für die in Folge des Baugebietes entstehenden Folgekosten einen monetären Beitrag an die Stadt. Weiterhin werden jeweils verschiedene Haustypen für einen Zeitraum von einem Jahr ausschließlich für Kerpener Bürgern vorgehalten.

Bebauungsplangebiet „Wahlenpfad“

Dieses Baugebiet befindet sich derzeit aktuell in der vorbereitenden Projektierung. Hier werden nahezu alle Facetten der bodenpolitischen Maßnahmen in Abstimmung mit dem Grundstückseigentümer/Erschließungsträger verwirklicht. Dieser stellt sämtliche öffentliche Erschließungsanlagen nebst erforderlichen Kreisverkehren auf eigene Kosten her und überträgt diese anschließend kostenfrei an die Stadt. Er erstellt ebenfalls im Plangebiet auf eigene Kosten einen mehrzügigen Kindergarten nebst Außenflächen, mehrere Kinderspielplätze, einen Bolzplatz, einen Kirmesplatz, eine Boulebahn, eine öffentliche Begegnungsstätte und vieles mehr. Darüber hinaus verpflichtet er sich, eine noch näher zu definierende Anzahl von Grundstücken zu Vorzugskonditionen ausschließlich an Kerpener Bürger zu vermarkten. Auch wird den Wohnbedürfnissen bestimmter Bevölkerungsgruppen besonders Rechnung getragen, indem zum Beispiel  spezielle barrierefreie Wohnungen geschaffen werden, Altenwohnungen innerhalb des Plangebietes eingerichtet werden und andere.

6. Leitbild Leben in Kerpen

Bodenpolitik ist als ein Segment eines ganzheitlichen Programms zur Entwicklung der Stadt Kerpen anzusehen. Kerpen benötigt eine derartige Stadtkonzeption da es vor der Aufgabe steht, eine zukunftsorientierte Identität zu finden um im Wettbewerb der Städte und Gemeinden um Einwohner, Käufer und Investoren eine erfolgreiche Position einnehmen zu können. Da sich damit alle Bereiche der Stadt gleichermaßen auseinandersetzen müssen, wird sich die Stadtkonzeption an einem Leitbild orientieren, welches sich mit dem Leben in Kerpen insgesamt auseinandersetzt.

Dieses Leitbild „Leben in Kerpen“ wird gemeinsam von Verwaltung, Politik, Interessengruppen und Bürgern entwickelt. Es soll dazu anregen, die Einstellungen zu unserer Stadt zu überdenken und neu auszurichten. Es soll uns helfen, die Identität unserer Stadt klarer zu fassen und sie damit auch für uns selber transparenter zu machen. Es gibt uns eine Idee, eine Vision von dem Kerpen, in dem wir in Zukunft leben wollen.

Das Leitbild ist eine Navigationshilfe auf der Fahrt in die Zukunft. Es bietet Einsichten in die zukünftigen Entwicklungsschwerpunkte der Stadt und bietet damit Orientierung für das zukünftige Handeln von Politikern, Verwaltung, Unternehmen, Vereinen, Verbänden und privaten Initiativen. Um ein gezieltes Handeln zu ermöglichen, müssen sich an dem Leitbild Maßnahmenkataloge orientieren.

Sämtliche Zielvorgaben, die der Arbeitskreis „Leitbild Leben in Kerpen“ für das Leitbild-Segment „Bodenpolitik“ festgelegt hat, sind auch Zielvorgaben des nachfolgenden Kontraktes.