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Inhalt
Musterquerung Radverkehr außerorts
Entstehung
Bei einem Treffen der Straßenverkehrsbehörden des Rhein-Erft-Kreises im Jahr 2014 wurde festgestellt, dass in beinahe allen Kommunen Forderungen der Bürgerschaft an die Straßenbaulastträger nach verkehrssicheren Querungen des Radverkehrs über Hauptverkehrsstraßen im Außerortsbereich vorliegen. Der zunehmende Radverkehr mit den wachsenden Ansprüchen an die Verkehrssicherheit und das im Kreisgebiet neu umgesetzte Knotenpunktbeschilderungssystem für den Radverkehr könnten mit ursächlich für die Forderungen sein. Die zusätzliche Ausschilderung vieler weiterer Themenrouten hat eventuell auch dazu beigetragen, Baulastträger auf Gefahren bei Radverkehrsquerungen hinzuweisen.
Unabhängig von der Einschätzung der Radfahrenden zeigen Analysen im Rhein-Erft-Kreis keine Unfallauffälligkeiten an Querungsstellen des Radverkehrs. Dennoch hat sich die örtliche Politik in vielen Fällen hinter die Forderungen von Radfahrenden gestellt und entsprechend sicherere Lösungen von der jeweiligen Verwaltungsführung verlangt. Das steht sicher im Einklang mit dem kreisweiten politischen Wunsch, den Radverkehr zu stärken und die Randbedingungen in der Infrastruktur zu optimieren.
Im Austausch der Kommunen untereinander wurde schnell klar, dass die Ausgestaltung von Querungsstellen bedeutender Radverkehrsrouten über Hauptverkehrsstraßen in einer sehr großen Bandbreite und unterschiedlichster Ausstattung vorhanden sind. Insgesamt findet man mehr als 50 solcher Querungen im Rhein-Erft-Kreis.
Die Vereinheitlichung solcher Querungen erscheint unter dem Aspekt der Wiedererkennbarkeit sinnvoll, weil damit ein zusätzlicher Verkehrssicherheitsgewinn verbunden ist. Nach langer Diskussion über denkbare Ausgestaltungsformen entstand die Idee zur Erarbeitung einer Musterlösung, um aufwändige, parallele Planungen und Abstimmungen in allen Städten des Rhein-Erft-Kreises zu reduzieren.
Die Kolpingstadt Kerpen hatte sich angeboten, eine Musterlösung für eine solche Form von Querungsstelle stellvertretend für den gesamten Kreis zu entwickeln. Das sollte am Beispiel der Querung des viel befahrenen Erftradweges über die L 162 (Verlängerung Kölner Straße), einer recht hoch belasteten Hauptverkehrsstraße im Stadtteil Kerpen, erfolgen.
Nach Zustimmung aller Rhein-Erft-Kreis-Kommunen, der Polizei, Straßen NRW und Rhein-Erft-Kreis als Baulastträger wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die das Projekt in Kerpen begleitet hat. Die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe ist unter Projektergebnis dargestellt.
Konkrete Maßnahmen wurden dann ab 2016 auf der L 162 durchgeführt und nach mehreren Teilschritten bis Ende 2018 in der Örtlichkeit durchgeführt. Das Projekt für eine Musterlösung war damit abgeschlossen. Die Umsetzung erfolgte stufenweise in Teilschritten, die durch die politischen Gremien aufmerksam verfolgt wurden. Die Verwaltung berichtete mehrfach im zuständigen Kerpener Arbeitskreis und Fachausschuss über Zwischenergebnisse. Auch die örtliche Presse zeigte großes Interesse und berichtete über die jeweiligen Teilschritte.
Nach der vorletzten Phase der Ausgestaltung (zulässige Geschwindigkeit noch 50 km/h) führte die Kerpener Verwaltung eine Vor-Ort-Befragung von Radfahrenden durch. Dabei wurden mehrere Dutzend Personen befragt, die die L 162 in dem Bereich mit dem Fahrrad gequert hatten. Das war neben Freizeitradverkehr auch Alltagsradverkehr auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz. Kernfrage an die Radfahrenden war, wie gefährlich sie diese Querungsstelle einschätzten. Das Ergebnis war überraschend, denn mehr als 95 % der Befragten sahen in der Querung keine besondere Gefahrenlage. Begründet wurde diese Einschätzung mit den guten Sichtverhältnissen und den doch recht großen Zeitlücken im Autoverkehr auf der L 162.
Auf die Frage nach Verbesserungsvorschlägen wurde immer wieder (mehr als 70 %) eine planfreie Lösung wie Brücke bzw. Unterfahrung genannt. Das Befragungsergebnis steht in deutlichem Widerspruch zu den Forderungen einzelner „Nerds“. Die zuständigen Behörden und politischen Vertretungen wurden nämlich mit Hinweis auf die gefühlte Gefahrenlage Radfahrender immer wieder zur Umsetzung von weit reichenden und kaum zeitnah umsetzbaren Vorschlägen (Brücke, Tunnel, Unterfahrung, Verschwenkung der Radverkehrsführung zum nächstgelegenen Knoten, Bevorrechtigung des Radverkehrs gegenüber dem motorisierten Verkehr auf der L 162 etc.) für diese Querungsstelle aufgefordert. In politischen Beratungen solcher Anträge konnte sich die Verwaltung durchsetzen. Die ursprünglich vorgesehene Ausgestaltungsform wurde in diesem Projekt weiterverfolgt. Überlegungen über planfreie Lösungen wurden für eine mittel- bis langfristige Umsetzung zunächst zurückgestellt.
Die Umsetzung der letzten Phase, die Veränderung der zulässigen Geschwindigkeit im Bereich der Querungsstelle für den Autoverkehr von 50 km/h auf 70 km/h, sorgte dann nochmal für große Aufregung und Unverständnis bei Bürgerschaft und Politik. Polizei, Straßenbaulastträger und Kerpener Verwaltung hatten immer wieder darauf hingewiesen, dass sich mit der Ausschilderung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h Autoverkehr im untersuchten Straßenabschnitt nicht wirklich nachhaltig beeinflussen lässt; das gemessene Geschwindigkeitsniveau in diesem Bereich entspricht dem Straßencharakter dieser außerörtlichen, sehr übersichtlichen Straße. Die V85-Geschwindigkeit bei der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h wurde in allen Teilschritten mit rund 70 km/h gemessen. Immer wieder wurden Fahrzeuge, die sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h hielten ungeduldig und rechtswidrig überholt, was zu großen Gefährdungen des querenden Fuß- und Radverkehrs führte.
Die Abschlussmessung nach Einrichtung der 70 km/h-Regelung ergab eine V85-Geschwindigkeit (V85 ist der Grenzwert, den 85 % der gemessenen Fahrzeuge nicht überschreiten) ebenfalls von 70 km/h. Die Änderung der zulässigen Geschwindigkeit hatte also keinen Einfluss auf das tatsächliche Geschwindigkeitsniveau und wurde daher auch für die Musterlösung empfohlen. Während der Projektphase und auch danach wurde an der Querungsstelle des Erftradweges über die L 162 bis März 2021 kein Verkehrsunfallgeschehen registriert. Mittlerweile sind alle vergleichbaren Querungsstellen auf Kerpener Stadtgebiet nach dem neuen Muster umgestaltet. Der Rhein-Erft-Kreis wird für seine Straßen eine Umsetzung 2021 durchführen.
Die Baulastträger aller anderen vergleichbaren Querungsstellen für den Radverkehr im Kreis wurden vom Rhein-Erft-Kreis aufgefordert, eine dem Muster entsprechende Umgestaltung zeitnah zu realisieren. Diese Musterlösung ist auch in die Ausarbeitung der neuen Querungsstellen Broschüre der AGFS eingeflossen und wird dort in sehr ähnlicher Form dargestellt.
Im Folgenden finden sich Beschreibungen, Erläuterungen, Ergebnisdarstellungen, Fotos, Grafiken, Presseschau, Verwaltungsvorlagen und Datensätze, die das von der Kolpingstadt Kerpen geführte Projekt unter partnerschaftlicher Beteiligung von Polizei, straßenverkehrsrechtlicher Aufsichtsbehörde sowie dem Rhein-Erft-Kreis und Straßen NRW als Straßenbaulastträger dokumentieren.